Die unbedachte und sorglose Einstellung im Umgang mit der Umwelt verdeutlicht sich auch im Unglück der AZF Explosion vor fünf Jahren in Toulouse, welche ich auch persönlich miterlebt habe.
Als im September 2001 in Toulouse in der Düngermittelfabrik AZF mehrere tausend Tonnen Ammoniumnitrat explodierten, sprach man von einer Chemiekatastrophe großen Ausmaßes.
Ich selbst befand mich zum Zeitpunkt des Geschehens in der Schule. Die Explosion selbst fand morgens gegen 10 Uhr statt. Da wir gerade Pause hatten, befanden wir uns auf dem Schulgelände und nahmen auch die Explosion trotz einer Distanz von ca. 10 km deutlich wahr. Dass es sich dabei um eine Explosion größeren Ausmaßes handeln könnte, dachte keiner von uns. Es ging zunächst der Unterricht wie gewohnt weiter bis etwa nach einer Stunde erste Informationen einer großen Explosion zu uns durchdrangen. Zu dem Zeitpunkt wurden wir dann auch strikt angewiesen, weder das Gebäude zu verlassen noch die Fenster zu öffnen. Die rötliche Wolke, welche über dem Unglücksort entstanden war und die sich zuerst in nördlicher Richtung zur Stadtmitte hin und später nach Westen bewegte, konnten wir ebenfalls sehen. Innerhalb kürzester Zeit waren die Straßen menschenleer, man konnte beobachten, wie die Leute in den Gebäuden Schutz suchten.
Zu dem Zeitpunkt brach auch in der Schule das Chaos aus. Viele Schüler versuchten telefonisch Angehörige zu erreichen, was jedoch nicht möglich war, da das Telefonnetz längst zusammengebrochen war. Das Gebäude durften wir ohne die Begleitung eines Erziehungsberechtigten nicht verlassen. Ich selbst wurde etwa zwei Stunden nach der Explosion von meinem Vater von der Schule abgeholt, andere Schüler harrten noch Stunden im Gebäude aus, bis schließlich Entwarnung gegeben wurde.
Die Explosion, welche wir am Anfang kaum wahrgenommen haben und die sich dann innerhalb kürzester Zeit zu einem riesigen Schreckgespenst entwickelt hatte, erwies sich im Nachhinein als Katastrophe größeren Ausmaßes.
Der größte Schaden entstand durch die Druckwelle, welche alle umliegenden Gebäude schwer beschädigte. Im Umkreis von fünf Kilometern gingen die Fensterscheiben zu Bruch. Auf der nahe liegenden Stadtautobahn wurden zahlreiche Autos durch den Schutthagel zerstört und ihre Fahrer verletzt.
Die Warnungen, die Gebäude nicht zu verlassen und möglichst kein Wasser zu verbrauchen, wurden jedoch schon frühzeitig wieder aufgehoben, da laut ersten Messungen weder in der Luft noch im Wasser gesundheitsgefährdende Schadstoffe festgestellt werden konnten.
Die Ursachen der Explosion sind bis heute umstritten, einig ist man sich jedoch, dass die Schutzvorkehrungen ungenügend waren, zudem die Fabrik für einen Notfall unzureichend ausgerüstet war.
Eine Nachwirkung, welche man bis heute noch spüren kann, ist die Wohnungsknappheit in Toulouse. Bei der Mehrheit der zerstörten Gebäude handelte es sich um Sozialwohnungen, welche auch heute noch unbewohnbar sind.
Über nachhaltende umweltschädliche Folgen ist jedoch nichts bekannt, was auch an der „Geheimhaltungspolitik“ der französischen Regierung liegen kann. (So ist z.B. die Wolke von Tschernobyl laut französischer Regierung nie in Frankreich angekommen, was de facto natürlich nicht der Fall war.)
Letztendlich ist man jedoch froh in Toulouse, noch so glimpflich davon gekommen zu sein, da sich direkt neben dem AZF Gelände eine Fabrik befindet, welche Raketentreibstoff herstellt. Diese wurde glücklicherweise nur leicht beschädigt, das Unglück hätte sonst wohl ganz andere Ausmaße angenommen.
Diese Katastrophe hat in ganz Frankreich eine Welle der Bestürzung ausgelöst. Vielleicht führt sie dazu, dass in Frankreich die Schutzvorkehrungen verschärft und ernst genommen werden, um sowohl Mensch als auch Natur vor den direkten und indirekten Folgen des oft so sorglosen und unachtsamen Umgangs mit der Umwelt in Frankreich besser zu schützen.
Anna, Deutsche Schule Toulouse, Frankreich
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen